Grenchen will sich mit Graffitis ein neues Gesicht geben
Aus dem Wasser ragende Schriftzüge, ein Rettungsring und ein Krokodil: Am Graffiti-Festival in Grenchen haben erfahrene Sprayer eine fast 100 Meter lange Mauer verschönert.
Aus dem Feuerwehrdepot ergiesst sich eine Flutwelle. Das Wasser schlägt hohe Wellen und stürzt die Strasse hinunter Richtung Stadt. Zum Glück wird die Welle niemandem gefährlich. Und wenn alles läuft wie geplant, dann wird es noch einige Jahre hier bleiben – das auf eine fast 100 Meter lange Mauer gebannte Kunstwerk in Grenchen. An der Schmelzistrasse beim Feuerwehrdepot hat am Samstag das zweite G-Town-Graffiti-Festival stattgefunden. 14 Künstler aus der Region haben dabei eine zuvor graue Fläche von 170 Quadratmeter in eine farbige Wasserlandschaft verwandelt. Vom künstlerischen Leiter Rafael Wingeyer – bekannt als Bieler Graffiti-Artist Renb1 – waren dabei nur zwei Dinge vorgegeben: das Motto «Unter- und Überwasserwelt» sowie die zu verwendenden Farben. Ansonsten konnten sich die Sprayer austoben und ihre eigenen Schriftzüge und Charaktere anbringen.
Nur ausgewählte Künstler
Am Samstagnachmittag nimmt das Werk langsam Formen an. Aus den Fluten ragen rot-orange Schriftzüge mit den Namen der Künstler. Mal sorgen plastische Elemente für einen 3D-Effekt, mal arbeitet jemand an filigranen Details. Hier schwimmt ein Rettungsring, dort steigen Luftbläschen in die Höhe.
Dazwischen badet ein grimmig dreinschauendes Krokodil mit futuristischer Taucherbrille. Und etwas weiter unten steigt eine Frau aus den Tiefen der Flut, ihr dunkles Haar schlängelt sich wie Seegras um ihren Kopf.
Das fotorealistische Bild stammt von Graffiti-Künstler Nims.
Dieser werde sicher drei bis vier Tage daran arbeiten, sagt Wingeyer über die herausstechende Arbeit. Die anderen Werke sollten innerhalb eines Tages fertiggestellt sein. Am Sonntag folgt der Feinschliff und der Hintergrund. Das Ganze geht nur deshalb so schnell vonstatten, weil die Beteiligten allesamt erfahrene Künstler sind. Die meisten würden seit 20 Jahren sprayen, so Wingeyer. Für die Wand in Grenchen hat er die Teilnehmer persönlich eingeladen. Kommen durften nur diejenigen, die Erfahrung mit konzeptionellen Arbeiten haben und die bereit sind, mit gewissen Vorgaben zu arbeiten. Besonders stolz ist er, dass auch die beiden Bieler GraffitiUrgesteine Sèyo und Sonic dabei sind. «Das hier soll eine Vorzeigewand erden», sagt Wingeyer. Ein Werk also, das nicht mehr übermalt wird. Den letzten Platz haben die Organisatoren mittels eines schweizweiten Wettbewerbs vergeben. An diesem Tag bleiben die Männer unter sich – Frauen gebe es in der Szene nur sehr wenige…
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© Bieler Tagblatt, 10.07.2023 Text by Carmen Stalder und Fotos by Salmen Saidi